Mittagszeit

Schlafen und Ruhen

Über das Schlafen und Ruhen in der Einrichtung.

Aus Sicht vieler Eltern geht ein Kind in die Einrichtung zum Lernen und Spielen und nicht, damit es die Zeit dort verschläft. Außerdem soll es abends ohne Theater einschlafen.

Auch Sicht der Erzieher ist ein müdes Kind oft reizbar, quirlig und konfliktanfälliger, wenn es übermüdet oder erschöpft ist. Trotzdem sollen Kinder nicht einschlafen.

Aus Sicht des Kindes, das oft nicht für sich sprechen kann, sind es Anzeichen wie Gähnen, Augenreiben und Anhänglich-Werden, dass es eine Pause braucht. Ein müdes Kind hat keine eigene Initiative mehr, wird lethargisch oder auch unruhig, es versteckt sich, macht sich unsichtbar. Ein Tag in der Einrichtung ist für manche Kinder richtig lang, und eine Gruppe von über 20 Kindern um sich herum in ständiger sozialer Auseinandersetzung auszuhalten, fordert viel von einem Kind. Dazu noch die Geräuschkulisse, die schon so manchen Erwachsenen an die Grenze des Erträglichen brachte.

Übermüdete Kinder haben weniger Frustrationstoleranz, das heißt, dass Kratzen, Beißen und Schubsen häufig Indizien für Überlastung sind. Zwei Dinge können kleine Kinder noch gar nicht: warten und sich beeilen. Alles muss im Fluss sein und wir sind der Fluss, wir stimmen die Kinder ein durch unsere Impulse, aber wir holen sie auch ab mit ihren Impulsen. Müde und hungrige Kinder können weder Beziehungsfähigkeit lernen am anderen Menschen noch können sie über die Exploration ihre Umgebung erkunden und erforschen und können sich auch nicht mehr angemessen auseinandersetzen. Es ist verlorene Zeit, weil sie leiden. Dafür kommen sie nicht zu uns in die Einrichtung. Kinder haben das Recht zu ruhen und zu schlafen, wenn sie müde sind. Sie haben das Recht Essen zu bekommen, wenn sie hungrig sind. Weil sie sonst Lebenszeit verlieren, die sie nicht mehr nutzen können, weil es ihnen nicht gut geht. Insofern haben wir als Erzieher bestmöglich für sie zu sorgen.

Wenn ein Kind in der Einrichtung nicht ruhen oder einschlafen soll, ist das in Ordnung, dann muss es eben so rechtzeitig abgeholt werden, dass es seinem Schlaf- und Ruhebedürfnis zu Hause nach-kommen kann.

Regenerieren, Ausruhen, Stille erleben und aushalten, sich für eine Weile auf sich zurückziehen, eine Pause machen, im regelmäßigen Rhythmus leben – das sind Qualitäten, die in unserer schnelllebigen Zeit immer mehr verloren gehen, die immer weniger selbstverständlich sind und die wir wieder neu lernen müssen – Erwachsene wie Kinder. Wir müssen alle lernen, für uns selbst gut zu sorgen, Verantwortung zu übernehmen und uns auch abzugrenzen gegenüber anderen. Dafür braucht es Ruhe, Pause, eine Weile Stille, um zu sich zu finden. Wenn wir das schon als Kind geübt haben, gelingt uns das voraussichtlich als Erwachsener umso besser.

Die Ruhezeit ist bei uns immer nach dem Mittagessen – in der Zeit zwischen 12.45 Uhr und 13.30 Uhr. Bis alle in ihren Zelten oder Bettchen liegen, ist es meist 13.00 Uhr. In der Stille dösen manche Kinder ein, manche schlafen auch fest ein, manche liegen einfach nur und ruhen sich aus. Die „Verdauungsruhe“ tut allen gut und eine halbe Stunde Pause nach dem Essen ist auch für den Körper erfrischend.

Mittagessen

Der Freie Waldorfkindergarten Schwetzingen zeichnet sich dadurch aus, dass er immer im Wandel und in Entwicklung ist: aus einer Spielgruppe entstand vor knapp 23 Jahren eine Kindergartengruppe. Zwei Jahre danach dann eine zweite Gruppe und im Lauf der Jahre kamen immer wieder Veränderungen, um Eltern und Kindern in ihren Bedürfnissen gerecht zu werden: zunächst die Öffnungszeit bis 14.00 Uhr statt 13.00 Uhr. Im Jahr 2008 dann die Einrichtung einer Krippengruppe für die unter Dreijährigen, drei Jahre später die Waldgruppe und zuletzt die Aufstockung des Gebäudes mit der Zielsetzung, den Nachmittagsbereich zu öffnen. Auch das hat das pädagogische Team wir mit Bravour umgesetzt und wir betreuen nun zwanzig Kinder bis 16.30 Uhr mit einem gut durchdachten und reibungslos funktionierenden Konzept.

Doch kaum war dieser Schritt getan, traten wieder Eltern mit neuen Bedürfnissen und Wünschen an uns heran: ob man nicht für alle Kinder ein warmes Essen am Mittag bereitstellen könne? Die meisten Eltern arbeiten inzwischen beide und das Essenkochen am Nachmittag ist für viele eine enorme Belastung geworden. Und Kinder, die um 14.00 Uhr abgeholt werden, sind keine sehr motivierten Mit-Einkäufer in einschlägigen Supermärkten!

In vielen Stunden Konferenzarbeit näherten wir uns diesem Thema, hospitierten in anderen Einrichtungen, erfragten Erfahrungsberichte und wägten ab, in welcher Art wir eine Erweiterung unserer Konzeption für pädagogisch sinnvoll und durchführbar halten könnten. Im Herbst 2014 konnten sich dann alle im Team vorstellen, den Tagesablauf um zu stellen. Ein  Rhythmus sollte entstehen, der sowohl den pädagogischen Angeboten und Abläufen noch Rechnung trägt als auch die Möglichkeit bietet, zwei Mahlzeiten ein zu  nehmen. Ganz wichtig war und ist uns der Punkt „Ruhen nach dem Essen“, der ebenfalls seinen Platz haben sollte.

So entstand ein neuer „Tageablaufplan“, der im November 2014 an einem Gesamtelternabend vorgestellt wurde.

Viele Fragen wurden bewegt und beantwortet, manche Unsicherheit konnte beseitigt werden und einige Gegner der Umstellung konnten wir nicht überzeugen. Dennoch wollte das Gesamtkollegium, unterstützt durch den Vorstand, die Umsetzung ab Januar 2015 angehen.

Ein herausforderndes Unternehmen! Für die Ruhezeit mussten 60 sog. „Zelte“ aus Holz gebaut und mit Stoff bespannt werden. Es brauchte viele Näherinnen, die geschickt  mit der Maschine alles nähen konnten.

Der Bezug an Matten und Decken entpuppte sich als nicht ganz so einfach. Für die Mahlzeiten brauchte es Speisepläne, Einkauflisten, Bedarfsanalysen und Bezugsquellen. Fragen wie „wo bekommen wir fast 30 Laib Brot in der Woche her“ wurden ebenso diskutiert wie die Frage der Lagerung von den vielen Säcken Reis, Hirse und Haferflocken, die da gebraucht würden. Wie lange brauchen über 20 Kinder zum Essen, wie viel Zeit braucht ein Toilettengang, wann ist es sinnvoll, die Geschichte zu erzählen, wenn man nach dem Ruhen gleich in den Garten geht. Was wird es kosten die Kinder gut zu ernähren?

Eine spannende, aufregende und auch energiegeladene Zeit, bis wir dann im Januar nach den Weihnachtsferien mit der „neuen Konzeption“ starteten! Am Anfang mit viel Versuch und Irrtum, mit immer wieder notwendiger Überarbeitung der Rezepte für das Essen, mit Schieben von Uhrzeiten und Veränderungen von Absprachen untereinander.

Nun haben wir fünf Monate Erfahrung gesammelt und das Meiste läuft gut – nicht immer reibungslos, aber so, dass wir sagen können: wir haben uns alle daran gewöhnt und kennen die Abläufe. Die Kinder haben das veränderte System gut angenommen haben und mittags gegen 13.00 Uhr herrscht im ganzen Haus eine himmlische Ruhe, weil  nämlich alle Kinder entweder in einem Bett im Schlafraum oder in einem Zelt im Gruppenraum ausruhen – schweigend, schlafend oder vor sich hinträumend! Um dann gegen 13.30 Uhr satt und ausgeruht in den Garten zu können, wo die Abholzeit ist.

DANKE!

An dieser Stelle möchte ich mich bedanken – zuerst bei meinem wunderbaren Team, das so mutig, positiv und engagiert die Konzeptionsänderung erarbeitet und umgesetzt hat und immer wieder bereit ist, zu überdenken und neu zu ergreifen.

Dann bei den Eltern, die uns tatkräftig unterstützt haben – allen voran Familie Stelgens, die uns die Zelte gestiftet hat. Und die Mütter, die nachts und am Wochenende geschnitten und genäht haben, um genau passende Überzüge für Zelte und Matten zu zaubern! Ohne Ihre Hilfe hätten wir das nicht in so kurzer Zeit geschafft. Vielen vielen Dank für jede hilfreiche Hand, aber auch für den Zuspruch, für manch aufmunterndes Wort und für die mentale Unterstützung bei der Umsetzung. Die Spender, die Geld überwiesen haben, tragen zur finanziellen Entlastung des Kindergartens bei. Allen Eltern sei Dank gesagt für das Vertrauen in uns und unsere Pädagogik.

Mit besten Grüßen

Anne Lang